
Lehrzeit, Tod des Vaters, Firmengründung
Eine der Jechnitzer Persönlichkeiten aus der 2. Hälfte des 19. Jh. war Karel Lüftner. Er wurde als Sohn des Schmieds Johann Lüftner und seiner Frau Anna Elizabeth Lüftnerová, geb. Seidlová, am 23. November 1826 in Tlesko (Tlestky) Nr. 8 geboren. Knapp 16-jährig begann er eine Lehre als kaufmännischer Gehilfe in einer Metallfirma – in jener von J.V. Rott in Prag. (Adresse: Malé náměstí 10).
1844, zweieinhalb Jahre nach Lüftners Eintritt in die Metallfirma von J.V. Rott, starb einen Tag vor seinem 18. Geburtstag sein Vater in Tlesko. Vielleicht war es der frühe Tod des Vaters, der für den jungen Karel den Weg zur Selbstständigkeit vorgab.
Nach zehn Jahren in Prag als kaufmännischer Gehilfe in der Metallfirma von J.V. Rott machte er sich selbstständig und erwarb vom Prager A. Makowitz ein Geschäft mit Eisen- und Schusterwaren im Zentrum von Prag auf dem Altstädter Ring 461 (Staroměstské náměstí 461), buchstäblich nur ein Dutzend Schritte von seinem ehemaligen Arbeitgeber entfernt.
Zeitraum 1842 - 1852
Gewerbeerlaubnis, Tod der Mutter, Hochzeit, Kinder
Der Erhalt eines Gewerbescheins (früher Gewerbeerlaubnis) war früher um einiges schwieriger zu erreichen als heute. Man musste eine Bekenntnis zum Katholizismus vorlegen, einen österreichischen Staatsbürgerschaftsnachweis erbringen und sich bereits zehn Jahre in Prag aufhalten. Den Antrag auf ein „Sittlichkeitszeugnis“ (der heutige Auszug aus dem Strafregister) zusammen mit der Anerkennung des Bürgerlichen Rechts reicht Karel Lüftner am 12.2.1853 ein und den Antrag auf Erteilung der Gewerbeerlaubnis beim Wechsel- und Gewerbegericht in Prag am 20.12.1854. Die Gewerbeerlaubnis wird Karel Lüftner am 27.3.1855 vom Prager Magistrat ausgestellt. Im Protokoll vom 4.6.1855 des Wechsel- und Gewerbegerichts in Prag findet man den Eintrag Firma „Carl Lüftner“.
Vom Zeitpunkt der Lizenzübertragung zum Handel mit Eisen- und Schusterwaren, Anfang des Jahres 1952 zur protokollierten Gewerbeerlaubnis im Sommer 1855 vergingen ca. dreieinhalb Jahre. Bis zu welchem Grad die damalige Bürokratie oder aber die Lebensumstände dieser Jahre die Zeitspanne bis zur Ausstellung der Gewerbeerlaubnis verlängerten, bleibt ungewiss. Fakt ist, dass am 2.5.1853 Karels Mutter in Tlesko (Tlestky) stirbt.
Einige Monate später, am 15.10.1853 heiratet Karel in Prag Pauline Kutschereutherová. Im Dezember 1854 wird ihr erster Sohn Karel geboren und danach mit ein- bis zweijährigem Abstand bekommt das Paar noch fünf weitere Kinder.
Zeitraum 1853 - 1862
Krieg, Österreich-Ungarn, Geschäft im Prager Stadtteil Neustadt (Nové Město), fast ein geschichtsträchtiges Zusammentreffen
In der Mitte dieses Jahrzehnts erklärte Preußen Österreich den Krieg. Wie liefen wohl Karels Geschäfte in diesen Kriegsjahren? Es lässt sich annehmen, dass sie gut liefen. Wir haben aus dieser Zeit bis jetzt noch nichts vorliegen, außer dass Karel einige Jahre später eine hohe Auszeichnung vom Kaiser erhielt. Die Entstehung Österreich-Ungarns war für die Geschäfte sicherlich ebenfalls nutzbringend.
1871 eröffnete Karel im Prager Stadtteil Neustadt (Nové Město) in der Straße Mezibranská 577/19 noch eine Steppanstalt (dort werden vorgeschnittene Lederteilen zu Schuhen zusammengenäht). Dem Ehepaar Lüftner wurden in dieser Zeit fünf weitere Kinder geboren.
Irgendwann in den Jahren 1865 – 1870 ging T. G. Masaryk nach Wien, um das Schlossereihandwerk zu erlernen. Er arbeitete an einer Maschinen für Stiefeleisen, aber das war nichts für ihn. Es störte ihn, dass er an dieser Maschine maximal zwei Bewegungen machte, bevor er wieder nach Hause ging. Wenn Masaryks Heimatstadt Hodonín näher an Jechnitz (Jesenice) als an Wien gelegen wäre, könnte es gut sein, dass dann die Stadt Jechnitz untrennbar mit unserem ersten Präsidenten verbunden wäre.
Zeitraum 1863 - 1872
Verdienstorden vom Kaiser, weitere Geschäfte in Prag
Im Jahr 1873 gab es in Wien eine Weltausstellung und der Firma von Karel Lüftner wurden mehrere Verdienstorden erteilt. Wie viele es waren und ob unter ihnen eine Medaille für Jechnitzer Stiefeleisen mit dem Zeichen C.L. war, wissen wir bisher nicht. Eines ist jedoch sicher: Die Waren und Erzeugnisse der Lüftners waren unbestritten von Qualität. Ab dem Jahr 1877 hatte er Prag in der Straße Am Graben 583/15 (Na Příkopě 583/15) ein Geschäft mit Waren aus Nürnberg, An- und Verkauf und Speditionsdiensten. Ab dem Jahr 1881 in der Straße Na Příkopě 848/6 ein Geschäft mit Kurzwaren.

Kapelle in Tlesko (Tlestky)
Zum Gedenken an seine verstorbenen Eltern ließ Karel in die im Jahr 1876 neu errichtete Kapelle in Tlesko auf eigene Kosten einen Altar errichten und stiftete eine der beiden Glocken. Im Inneren des Altars steht mit Bleistift geschrieben: „Errichtet im Jahr 1882, Josef Lüftner – Jechnitz“. Josef Lüftner war Tischler, und es ist wahrscheinlich, dass er ein Verwandter von Karel Lüftner war.

Kleine Stiefeleisenfabrik, Eisenbahn in Jechnitz (Jesenice), Geschäft auf dem Prager Wenzelsplatz (Václavské náměstí), letzte Lebensmonate
Neben Karel Lüftners Stiefeleisenfabrik in Jechnitz Nr. 10 gab es noch eine kleinere Fabrik von Franz Kirtschl in Jechnitz Nr. 193. Vor dem Ersten Weltkrieg wurde ein Großteil der Stiefeleisen aus dieser Fabrik mit Pferdegespannen bis nach Wien gebracht. Lüftner und Kirtschl kannten einander sicherlich gut. Vielleicht war Kirtschl zuerst sein Angestellter, bevor er sich selbständig machte. Mit großer Wahrscheinlichkeit waren sie keine Konkurrenten, sondern halfen einander sogar aus, indem sie sich Angestellte ausliehen, wenn die Nachfrage gerade groß war.
Am 26.6.1897 fand die feierliche Eröffnung der Eisenbahnstrecke Rakonitz – Luditz (Rakovník – Žlutice) statt. Dieses Ereignis wurde von der Mehrheit der Jechnitzer Bürger sicherlich begrüßt. Am meisten aber freute man sich in der Fabrik Karel Lüftners, da neben dem Personenverkehr für die Firma vor allem der Transport der schweren Metallwaren aus der Fabrik wichtig war.
Zeitraum 1893 - 1897
Die Firma nach dem Tod des Gründers
Nach dem Tod des Gründers und seines ältesten Sohnes übernahmen seine weiteren Söhne František und Felix Lüftner die Firma „Karel Lüftner“. Zwischen dem Ersten und dem Zweiten Weltkrieg ist die Firma auf den vorderen Plätzen des tschechoslowakischen Handels. Am 1. Januar 1929 verpachten die Lüftners, wohl in Vorahnung der Weltwirtschaftskrise, die Stiefeleisenfabrik ihrem langjährigen Handlungsreisenden Ludvík Urban, und nach dessen Tod seinen Verwandten Emil und Marie Urban. Bisher ist nicht bekannt, wann die Firma Lüftner und Partner definitiv schloss. Während des Zweiten Weltkriegs, nach dem Tod der beiden Brüder František und Felix, wohl wieder in Vorahnung der Entwicklungen nach Kriegsende, verkaufen die Erben die Jechnitzer Fabrik dem Ehepaar Börst. Es ist der 10. Juni 1943.

Museum Fabrik Jechnitz (Jesenice)
Am 23. Februar 2012 entsteht in Jechnitz bei Rakonitz in der Straße Oráčovská 10 die Bürgervereinigung Museum Fabrik Jechnitz mit dem Ziel, die ursprüngliche industrielle Erzeugung der Firma von Ludvík Urban, vormals Karel Lüftner, bekannt zu machen.
Zeitraum 2012 - dosud